22. Feb 2021

«Kaffee mit …»

«Kaffee mit …»

Das Thema Kreislaufwirtschaft im Bereich Baurohstoffe und Baumaterialien gewinnt zunehmend an Bedeutung. Auch beim Beton gibt es ein hohes Potential zur Nachhaltigkeit. Der Zürcher Familienbetrieb Eberhard ist ein Pionier in der Herstellung von zirkulärem Beton. Gespräch mit Patrick Eberhard, Bereichsleiter Verkauf Baustoffe der Eberhard Unternehmungen (in 3. Generation) und Präsident Verein Madaster Schweiz.

© Bilder und Grafiken von Eberhard Unternehmungen zur Verfügung gestellt.

Was verstehen Sie unter Kreislaufwirtschaft?

Kreislaufwirtschaft bedeutet für mich Materialien über mehrere Lebenszyklen ohne Einbussen bezüglich Qualität oder Funktionalität im Kreislauf zu halten. Dabei steht insbesondere die Bauwirtschaft im Fokus. Einerseits verschlingt keine andere Branche so grosse Mengen an Ressourcen. Andererseits bildet der Bauabfall den mit Abstand grössten Abfallstrom der Schweiz. Aus diesem Grund forcieren die Eberhard Unternehmungen den Weg aus der heutigen Recyclingwirtschaft, in der die Materialien hauptsächlich einem Downcycling zugeführt werden, hin zur Kreislaufwirtschaft.

Wie setzen Sie dies in Ihrem Betrieb um, wo sind Sie Spezialist?

Wir sind Spezialisten im Gebiet der Rückbaumaterialien aus Gebäuden. Uns geht es darum, dass wir aus den Rückbaumaterialien neue Qualitätsbaustoffe herstellen, insbesondere Beton. Heute haben wir das technische Know-how, um neue Häuser fast komplett aus alten Häusern zu bauen. Und dies ohne Einbussen bei der Qualität. So kann der Baustoffkreislauf geschlossen werden.

Betonkreislauf

Was ist zirkulärer Beton?

Zirkulärer Beton ist die Weiterentwicklung von Recyclingbeton. Dank hochwertiger Aufbereitung besteht er zu mindestens 2/3 aus Sekundärrohstoffen. Zirkulärer Beton hat einen tieferen CO2-Ausstoss im Vergleich zu einem äquivalenten Primärbeton. Zudem zeichnet er sich durch gleichwertige statische Eigenschaften aus, was sich insbesondere beim Elastizitätsmodul zeigt.

Wie sieht es mit dem Energieverbrauch in der Herstellung aus?

Der Energieverbrauch für Sekundärrohstoffe ist vergleichbar mit demjenigen von Primärrohstoffen. Die etwas höheren Aufwendungen fürs Brechen der Rückbaumaterialien halten sich mit den, in der Regel, kürzeren Transportdistanzen mehr oder weniger die Waage.

Weshalb setzt sich die Kreislauffähigkeit in der Praxis (noch) nicht durch?

Die Kreislaufwirtschaft hat beim nachhaltigen Bauen heute zu wenig Bedeutung. Nachhaltiges Bauen ist eine Frage des Mindsets. Heute steht die Betriebsenergie im Fokus. Die Bausubstanz spielt eine untergeordnete Rolle. Insbesondere die Kreislauffähigkeit der verbauten Materialien muss messbar werden und bei den Nachhaltigkeitsbetrachtungen an Relevanz gewinnen.

Welche Impulse aus der Politik braucht es Ihrer Meinung nach, um im Bereich Kreislaufwirtschaft weiterzukommen?

Mit der VVEA ( Verordnung über die Vermeidung und die Entsorgung von Abfällen) und der Bauprodukteverordnung besteht die gesetzliche Grundlage: man müsste eigentlich wenn immer möglich Sekundärbaustoffe einsetzen. Leider wird die Bauprodukteverordnung so noch nicht umgesetzt. Es braucht also vor allem Impulse, die bestehenden Gesetze durchzusetzen. Man könnte beispielsweise bei der Baubewilligung eine Pflicht einführen, dass wenn immer technisch möglich Sekundärbaustoffe eingesetzt werden.

Was uns dem langfristigen Ziel der Kreislaufwirtschaft ebenfalls einen grossen Schritt näher bringen würde, ist die konsequente Nutzung von Material-Katastern, wie zum Beispiel Madaster:

Mit dem Madasterindex können Materialströme beobachtet und erfasst werden. Eine wichtige Grundlage für nachhaltiges Bauen. Madaster bietet eine Plattform, die Materialien für immer verfügbar macht, indem man ihnen eine Identität gibt. Wenn Materialien eine Identität haben, können sie niemals mehr als Abfall in der Anonymität verschwinden. Jedes Gebäude wird zu einem Depot von Materialien mit einem bestimmten Wert.

Um dies zu erreichen, schafft die Madaster-Plattform Transparenz über die materiellen Werte in der gebauten Umwelt. Produkt- und Materialdaten können gespeichert, angereichert, gemeinsam genutzt und verwaltet werden. Ein Materialpass gibt Einblick in die Materialien, Komponenten und Produkte, die zur Erstellung eines Gebäudes verwendet wurden, sowie deren Mengen. Darüber hinaus enthält der Materialpass Informationen über die Qualität der Materialien, ihre Standorte sowie ihren finanziellen und zirkulären Wert. Auf diese Weise wird es viel einfacher, Materialien wiederzuverwenden, Abfall zu minimieren und die Kosten des Materialverbrauchs zu senken.

Wie wollen Sie mehr Akzeptanz für Baustoffrecycling bei Behörden, Bauherren, Unternehmen schaffen?

Indem wir grosse Bauherren sensibilisieren. Die öffentlichen Beschaffer haben eine Vorbildfunktion und können mit ihrer Nachfrage genug Stabilität und Sicherheit geben, dass Unternehmen in die Technologie investieren. Gutes Beispiel dafür ist die Stadt Zürich, die 2003 das erste Gebäude aus Recyclingbeton gebaut hat. Seither schreiben Stadt und Kanton Zürich konsequent mit Recyclingbeton aus. So müsste das in der ganzen Schweiz funktionieren.

Was muss die Baubranche unternehmen, um in puncto Kreislaufwirtschaft weiterzukommen? Wo sehen Sie konkret Handlungsbedarf?

Die Baubranche ist auf gutem Weg. Der Grossteil der Bauabfälle fliesst zurück in den Kreislauf. Auch die Gesetze und Normen sind vorhanden. Nun heisst es dranbleiben und den Weg zum endgültigen Ziel, einer wirklichen Kreislaufwirtschaft, konsequent vorantreiben. Um dies zu erreichen müssen alle am Kreislauf beteiligten Parteien zusammenarbeiten. Insbesondere den Bauherren kommt eine Schlüsselrolle zu.

Die Entwicklung kann unterstützt werden, indem die Kreislauffähigkeit von Materialien in Nachhaltigkeitsbetrachtungen eine Relevanz bekommen. Denn so wie heute gebaut wird, produzieren wir teilweise Abfall für die nächste Generation.

Wie wichtig ist die Arbeit von Verbänden?

Schlussendlich sind alle Akteure gefordert. Deshalb spielen die Verbände eine zentrale Rolle. Bereits heute gibt es grosse Bestrebungen, die Akzeptanz von Recyclingbaustoffen zu fördern. Hier können die Verbände durch Aufklärungsarbeit zum Umdenken anstossen. Wichtig für die Zukunft wird es auch sein, dem Ressourcen- und Abfallthema zu mehr Relevanz zu verhelfen. Heute gehen diese Themen neben den Treibhausgasemissionen zu oft vergessen.

Wie wurde Eberhard zum Pionier in der Herstellung von Beton aus Sekundärrohstoffen?

In den 1980er Jahren hatten wir kein eigenes Kiesland, aber viel Rückbaumaterial. Aus dieser Ausgangslage mussten wir das Beste machen und haben aus diesem Grund sehr früh in die Technologie zur Aufbereitung von Rückbaumaterialien investiert. Dazu kommt ein innerer Antrieb, aus den aufbereiteten Rohstoffen das sinnvollste Material herzustellen. So entwickelten wir uns in einem ersten Schritt vom Recyclingkies zum Recyclingbeton und nun vom Recyclingbeton zum zirkulären Beton.

Was ist Ihre persönliche Vision für das Bauen in 50 Jahren?

In 50 Jahren spielt die Kreislauffähigkeit von Gebäuden bereits bei der Planung eine zentrale Rolle. Dank ihrem grossen Potential zur Kreislauffähigkeit werden viele Materialien mineralisch aufgebaut sein. Die Tragstruktur des Gebäudes ist so ausgelegt, dass eine grundsätzliche Umnutzung des Gebäudes möglich ist, ohne das Gebäude komplett rückzubauen. Dank Hilfsmitteln wie dem Materialpass von Madaster ist der Bau zudem modularer geworden. Denn Bauteile, welche in Modulbauweisen erstellt sind, können einfacher wiederverwendet werden und haben aus diesem Grund einen viel höheren Wiederverkaufswert für den Eigentümer. Was trotzdem noch zurück gebaut wird, fliesst komplett und zirkulär zurück in den Kreislauf. Bauherren werden über die Baubewilligung dazu verpflichtet, eine hohe Kreislauffähigkeit ihrer Bausubstanz zu gewährleisten. Beim Beton ist es selbstverständlich, dass die Sekundärrohstoffanteile über 66% liegen.

Vielen Dank für das Gespräch.