24. Mär 2021

Beschaffungsrecht: Verlässlichkeit des Preises

Beschaffungsrecht: Verlässlichkeit des Preises

Ein Gastbeitrag von Thomas Hofstetter, SBV

Was auf nationaler Ebene als Kriterium der «Verlässlichkeit des Preises» eingeführt wird, ist im Kanton Tessin bereits seit Jahren bekannt, in Anwendung und wird auch in der Rechtssprechung gestützt. In der kantonalen Vereinbarung IvöB sollen dies nun alle Kantone mit der «Plausibilität des Angebotes» anwenden können.

Bei der Vergabe von öffentlichen Bauprojekten verlangt der Gesetzgeber neu den «wirtschaftlichen sowie den volkswirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltigen Einsatz der öffentlichen Mittel». Um nun aber entscheiden zu können, welches der eingereichten Angebote am besten diese Kriterien erfüllt, ist die Analyse und die Bewertung der Offerten von entscheidender Bedeutung. Um diese Analyse durchzuführen, unterstützen die sogenannten Eignungs- und Zuschlagskriterien. Während die Einungskriterien die grundlegenden Mindestanforderungen abbilden, dienen die Zuschlagskriterien zur Einordnung von Elementen wie Preis, Arbeitsprogramm, Referenzen, Ausbildung von Lernenden oder die Zuverlässigkeit des Preises.

Nicht das günstigste sondern das vorteilhafteste Angebot

Um Zuschlagskriterien vergleichbar zu machen, sind Ausschreibestellen angehalten, diese Kriterien sorgfältig zu formulieren. Nach wie vor zeigt sich jedoch in der Praxis, dass der Fokus von Ausschreibestellen wesentlich auf dem Kriterium Preis liegt. Dies auch mit dem Hintergrund, dass eine Punktevergabe nach dem Preis mathematisch begründbar ist, während die Punktevergabe für Kriterien wie Arbeitsprogramm und Referenzen wesentlich schwieriger begründbar sind. Die Fokussierung auf den reinen Preis birgt jedoch viele Gefahren. Der aktuelle Preiskampf im Bauhauptgewerbe führt beispielsweise dazu, dass Unternehmen teils Tiefpreisangebote einreichen, um die Auslastung von Mitarbeitenden sicherzustellen. Das Phänomen des extremen Preiskampfes ist jedoch gefährlich, vor allem, wenn es nicht nur vorübergehend auftritt. Die Folge davon ist, dass auf der Baustelle versucht wird, die Preisdifferenz wo immer möglich zu kompensieren. Dies entspricht im Anschluss jedoch einer Art zu arbeiten, die niemandem nützt. Man kann also nicht per se von einem «wirtschaftlichen sowie volkswirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltigen Einsatz der öffentlichen Mittel» sprechen, wenn ein Tiefpreisangebot den Zuschlag erhält.

Im Tessin wird die «Verlässlichkeit des Preises / Plausibilität des Angebots» schon länger erfolgreich angewendet

Der Gesetzgeber hat die Problematik der Tiefpreise erkannt und im neuen öffentlichen Beschaffungswesen das Zuschlagskriterium «Verlässlichkeit des Preises / Plausibilität des Angebots» ergänzt. Ziel dabei ist es, dem nominalen Preis eine relativierende Grösse entgegenzustellen, welche ebenfalls mathematisch begründbar ist. Die Bewertung orientiert sich dabei nicht am günstigsten Angebot, sondern dem Median-Angebot. Von diesem Median-Angebot erfolgt die Punkteverteilung dann mathematisch auf die anderen Angebote. Dieses Modell zur Anwendung des Zuschlagskriteriums «Verlässlichkeit des Preises / Plausibilität des Angebots» ist jedoch nicht ganz neu. Der Kanton Tessin nutzt diese Art der Preisrelativierung bereits seit einigen Jahren und wurde diesbezüglich auch bereits vom Gericht gestützt. In einem kürzlich gefällten Urteil des Tessiner Verwaltungsgerichts (52.2016.101) steht die folgende Aussage: «Das Zuschlagskriterium der Zuverlässigkeit des Preises wurde eingeführt, um im Wettrennen um den tiefsten Preis zusätzlich zu den qualitativen Kriterien einen weiteren Bremsmechanismus einzubauen.» Dieses Urteil soll nun auch den anderen Kantonen Mut machen, ihre Ausschreibepraxis entsprechend anzupassen. Dies ganz im Geiste des neuen Beschaffungsgesetzes, das eben einen «wirtschaftlichen sowie volkswirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltigen Einsatz der öffentlichen Mittel» fordert.

Beispiel 

Im folgenden Beispiel wird von sieben eingereichten Angeboten ausgegangen, deren Angebotspreise bei 100 (das günstigste Angebot), 105, 110, 120, 140, 170 und 200 (das höchste Angebot) liegen. Der Median bildet dabei das Angebot bei 120 (drei sind tiefer, drei sind höher). Die Preisspanne wird gemäss vorgehen-der nominaler Preisbewertung genommen und geht vom Median sowohl aufsteigend als auch absteigend aus. Bei einer Preisspanne von 100% (vgl. vorstehend) sind 50% des günstigsten Angebotes vom Median her zu rechnen. Die Benotungsspanne reicht vorliegend somit von 120 bis 170 resp. von 120 bis 100 (Null-punkt wäre bei 70, dies liegt jedoch unter dem niedrigsten Angebot und ist für die Benotung somit nicht relevant):